DIE STUNDEDER MAULHELDEN

Liebe zero-Leser,
Friedrich Merz und Sahra Wagenknecht haben die Zeichen der Zeit erkannt und sich zu Doppel-Null-Agenten ernannt – mit der Lizenz zum Tröten: Parolen der AfD werden nicht als Hetze entlarvt, sondern übernommen, ein wenig auf Trinkstärke runtergepanscht und unters Volk posaunt. Und weil es hochmodern ist, sich als Opfer zu fühlen, das alles möglichst lautstark scheiße findet, auch das, was man – wie etwa die Klimakatastrophe – selbst mitverzapft hat und weiter mitverzapft, trifft das Tröten auf offene Ohren und wird vom Wähler, den man früher mal „Souverän“ nannte, belohnt. Indes für den Preis, die ohnehin zum Bersten aufgeladene Grundstimmung weiter anzuheizen – und so der AfD noch mehr in die Karten zu spielen.
In dieselbe Kerbe prügeln dann Stümper wie Spahn und Dobrindt, die genau das ebenso schamlos wie lauthals beklagen, was sie als Minister maßgeblich selbst in den Teich gesetzt haben. Aber sie alle wissen in ihren Talkshowund Wahlkampfauftritten die Lösung – für was auch immer. Zumindest tun sie so. Trump weiß sogar, wie er den Ukraine-Krieg von jetzt auf gleich beenden kann – verrät er uns aber erst, wenn er wieder Präsident ist. Genau dies wird offensichtlich von einer Mehrheit ersehnt: eine/r, der/die sich aufs Tröten versteht, aufs Aufschneiden, Polarisieren, Trennen, Draufhauen. Wer auch mal ratlos ist und nachdenkt, wer Kompromisse eingeht, sie auch nur sucht, wird zum Weichei der Woche gekürt. Das Volk will den Führer oder auch die Führerin. Bei all dem drängt sich das Gefühl auf, daß wir hier, ohne daß uns das von der Heimleitung mal mitgeteilt würde, in der Geschlossenen leben. Apropos: ein schwer gefördertes „Tiny living Festival“ ruft 75 Euro Eintritt auf, und Frau Wagenknecht, die Personenkult weit von sich weist, hat sich einen Fanshop zugelegt, in dem sie als Konterfei auf T-Shirts, Kaffeebechern, Turnbeuteln, Tragetaschen und Kühlschrankmagneten käuflich zu erwerben ist – versandkostenfrei ab einem Bestellwert von 99,99 Euro.
Einen goldenen Oktober wünscht Ihnen, Euch und sich

Karl-Heinz Farni