Vergreist die BI?

Sabine Henßen sprach mit Torben Klages, Hauptamtlicher in der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg über Zukunft, Überalterung und auch den Stolz auf das Erreichte.

Torben Klages

Wie steht es um den Altersdurchschnitt der BI-Mitglieder, ist der bekannt?
Die große Mehrheit unserer Mitglieder ist zwischen 60 und 80 Jahre alt. Menschen, die sich neu im Vorstand der BI engagieren, sind heute eher über 50 Jahre alt, und der Vorstand hat ein Durchschnittsalter von 70 Jahren. Für mich ein Verein mit großer Lebenserfahrung, für andere vielleicht ein Beleg der Vergreisung. Die nackten Zahlen stellen uns vor
Probleme, sagen allerdings auch nichts über die große Qualität der Engagierten aus.

Sie sprechen selbst von der „ausbleibenden Verjüngung als Geißel der Bewegung“, wird offen über die „Vergreisung“ diskutiert?
Die Diskussion ist in vollem Gange. Und nicht nur bei uns. Auf einer bundesweiten Konferenz von BI war ein Topthema „“Wie
sprechen wir jüngere Leute an?““. Man muss aber aufpassen, dass die Fixierung auf das Thema nicht zur Selbstgeißelung führt, man darf sich nicht treiben lassen, stattdessen muss man ins Handeln kommen.

Gibt es Gründe, die junge Menschen abhalten könnten, sich aktiv in der BI zu engagieren?
Kritisch betrachtet, ist die über Jahrzehnte gewachsene Struktur unserer BI nicht besonders ansprechend für junge Menschen, eine Struktur, die zunächst wirkt wie ein starres Gebilde, das nicht mehr zeitgemäß ist. Man müsste sich zunächst zwei Jahre einarbeiten, bis man auf der Höhe des Wissens der BI ist, auch das schreckt junge Leute ab. Da steht man vor Aktivisten, die seit Jahrzehnten dabei sind, die wissen alles, die können alles. Zudem vermitteln wir den Eindruck: Wir sind ja da! Wir kümmern uns. Und: Es fehlt schlicht das persönliche Berührtsein. Der Impuls, sich in der BI zu engagieren, ist nicht stark genug.

Weil junge Menschen das Thema Atomkraft als abgehakt und ausgefochten betrachten?
Es mangelt nicht an jungen Menschen in der Anti-Atomkraft-Bewegung, aber die sind oft hauptamtlich tätig, verdienen ihr Geld damit. Was aber in der Breite fehlt, ist der persönliche Bezug, die Betroffenheit. Die Hochphase der Auseinandersetzung liegt weit in der Vergangenheit. Die Castor-Transporte berührten die Menschen damals ganz direkt, die Betroffenheit war größer, der Widerstand gegen den übermächtig wirkenden Staat spielte eine Rolle. Viele junge Menschen kamen in der Zeit vor 2011 ins Wendland, haben an Aktionen teilgenommen. Haben allerdings nicht klassische BI-Arbeit gemacht. Ich selbst kam auch in dieser Zeit hierher – blieb hängen, wurde aber auch Hauptamtlicher. Geschehnisse wie Fukushima, schärfen das Bewusstsein, stärken den Widerstand gegen die Atomkraft, trotzdem fangen wir bei der Meinungsbildung immer wieder bei Adam und Eva an, etwa nach der EU-Entscheidung, Atomkraft als nachhaltig einzustufen.

Wäre eine Öffnung für neue Themen ein Mittel, könnte etwa eine stärkere Einbindung des Klima-Themas junge Menschen überzeugen, sich in der BI zu engagieren?
Die BI hat sich bereits neuen Themen geöffnet. Wir waren während der Proteste rund um den Hambacher Forst aktiv, haben jungen Initiativen, wie „Ende-Gelände“ oder Fridays for Future“ unsere Hilfe angeboten, etwa beim Anmelden von Versammlungen oder welches Equipment notwendig ist. Der Austausch bei Demos ist da, aber die Hilfsangebote müssen angemessen erfolgen. Speziell zum Thema Klima: Wir waren auch beteiligt an einem Format „Week for Climate“ im Wendland, bei dem verschiedene Initiativen abwechselnd Veranstaltungen gemacht haben. Wir haben früher auch die ökologische Filmreihe in Platenlaase mit veranstaltet, bei der wir monatlich Filme zum Umweltbereich präsentiert haben. Bei all den Veranstaltungen ist es allerdings nie gelungen, jüngere Menschen zur Mitarbeit zu bewegen. Meine Erfahrung ist, dass ein „simpler“ Themenwechsel nicht den erwünschten Effekt bringt. Ich denke, dass ein Gefühl von Gemeinschaft unter Gleichaltrigen sehr wichtig ist. Junge Menschen untereinander teilen sehr wahrscheinlich andere Sorgen und Ansichten als die Eltern- oder Großelterngeneration, auch wenn alle Generationen am Ende vielleicht ähnliche Unsicherheiten und Probleme durchlebt haben. Und: Für jüngere Menschen ist auch eine Abgrenzung zu älteren Menschen ein wichtiger Entwicklungsschritt. Zu seinen Lebzeiten hat Jochen Stay, der die Anti-Atom-Bewegung ja auch maßgeblich mitgestaltet hat, bei unseren Mitgliederversammlungen immer die Initiative 30 als Vorschlag vorgetragen. Ziel ist es dabei, Menschen im Alter um die 30 zur Mitarbeit zu motivieren. Ich halte das für eine realistische Zielsetzung. Natürlich würden wir uns nicht dagegen wehren, wenn jüngere oder auch weitere ältere Menschen den Weg zu uns finden würden.

Kann die Präsenz in den sozialen Medien für mehr BI-Nachwuchs sorgen?
Um die BI glaubhaft, authentisch, in den sozialen Medien zu präsentieren, braucht es wiederum junge Menschen, die diesen Job übernehmen. Sonst geraten wir schnell in den Cringe-Bereich: Politiker tanzen auf TikTok und wirken peinlich, zum Fremdschämen, eben cringe. Es ist eine große Herausforderung, so etwas wie Nachwuchsarbeit anzuschieben. Vielleicht hinkt der Vergleich, aber ich war im Sportverein als Jugendtrainer tätig, neben vielen weiteren Trainern. Denn die Jugendarbeit war mit weitaus mehr Ressourcen, personell und finanziell, ausgestattet, als das Training mit Erwachsenen. Es ging darum, die Basis zu stärken, zu erreichen, dass die jungen Menschen perspektivisch im Verein bleiben. Auch dort sprangen viele Jugendliche und junge Erwachsene ab, weil andere Interessen wichtiger wurden. Will man die Jungen elektrisieren für das Thema Atomkraft, das vielfach als abgehakt begriffen wird – die haben oft andere Interessen und Probleme – braucht es neben guten Konzepten auch personelle Ressourcen.

Droht also die Vergreisung?
Es ist nicht alles dem Untergang geweiht, nur weil die Jungen ausbleiben! Es darf nicht passieren, dass wir hier alle nur noch unglücklich sind. Man muss sich selbst kritisch hinterfragen, unsere Struktur ist nicht einfach für Einsteiger. Aber wir sollten uns auch vor Augen halten: Das alles hat über Jahrzehnte funktioniert. Und ein wenig stolz auf unsere Erfolge dürfen wir auch sein. Veränderungen darf man nicht ausblenden, wir müssen sie aufnehmen. Und wer weiß, vielleicht rückt die persönliche Betroffenheit schneller wieder in den Vordergrund als uns allen lieb ist, angesichts der ungebremsten Macht und des Energiehungers der Big-Tech-Unternehmen
und den AKW-Phantasien von CDU, FDP und AfD.